Beschreibung
Interessante und mysteriös angehauchte Geschichten im Ligne claire Stil.
3 Alben / abgeschlossene Geschichten / 4 Originale von 1977 bis 1984 und 2005
1992 Intégrale der ersten 3 Bände in Frankreich erschienen
Interessante und mysteriös angehauchte Geschichten im Ligne claire Stil.
Bände im Original | 4 |
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bisher unveroeffentlicht | 1 |
Alt Verlag | Carlsen |
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stefan.krusenbaum –
Interessante und mysteriös angehauchte Geschichten im Ligne claire Stil. Die Veröffentlichung des letzten Bandes würde sicherlich lohnen, ggf. kann man hier aber auch überlegen, auch die ersten drei Alben nochmal mit zu verlegen und dann direkt eine kleine Gesamtausgabe herauszubringen.
Wunderbare und sehr treffende Rezensionen der drei bereits auf deutsch erschienenen Bände von “Hans Lucas”, erschienen im Comic Fanzine ‘Plop’ Nr. 43 (https://www.konkykru.com/):
Francois Rivière / Jean-Claude Floc’h: Die rätselhaften Fälle des Francis Albany. Band 1: Der Fall Harding; Band 2: Begegnung in Seven Oaks; Band 3: Auf der Suche nach Sir Malcolm. Je 48 Seiten, farbig, Softcover, Albumformat. Carlsen, 16,90 DM.
Ein Blick auf die Geschichte der Nouvelle ligne claire – das ist kein Blick zurück im Zorn. Unübersehbar ist aber, daß die Zeit an den einst hoch gelobten Werken dieser Schule nicht spurlos vorübergegangen ist. Blättert man heute durch die Alben Yves Chalands oder Ted Benoits, Serge Clercs oder Joost Swartes, so ist der Eindruck häufig ernüchternd. Die Nouvelle ligne claire war, obwohl ihre Wurzeln in den 70ern liegen, ein Kind der 80er, und ihr Glanz scheint zu verblassen, je mehr wir uns von diesem Jahrzehnt entfernen. Mode und Nostalgie – aus diesen schnell verderblichen Ingredienzien war der Cocktail gemixt. Modisch war die Nouvelle ligne claire insofern, als sie den Stil Hergés, seiner Schüler und Konkurrenten vor allem als schicke Oberfläche begriff. Was vorgestern in und gestern, in der psychedelischen Zeit um 1968, out gewesen war, wurde nun plötzlich wieder in: die zeichnerische Beschränkung auf das Wesentliche, die Liebe zur scharf gezogenen Kontur. Nostalgisch war die Nouvelle ligne claire insofern, als sie trotz all ihrer Verdrehungen und Ironisierungen der großen Vorbilder – erinnert sei nur an Chalands Freddy Lombard, diese Karikatur Tintins – doch immer ostentativ dem Goldenen Zeitalter der frankobelgischen Comics nachtrauerte. Freilich ohne dessen Meisterwerke zu erreichen. Eine Schwachstelle vieler Alben der Nouvelle ligne claire ist das Szenario. So hübsch die Bilder, so banal und albern oft die Geschichten. Die prominenten Vertreter der Schule waren typische postmoderne Epigonen: Sie hatten nichts zu sagen, taten dies aber auf formal bestechende Weise. Vor die Wahl zwischen Sein und Design gestellt, wählten sie allzu oft das Design.
Um so erfreulicher ist es, daß eine der wenigen Ausnahmen von dieser Regel nun komplett in deutscher Übersetzung vorliegt. Die Francis-Albany-Trilogie Floc’hs und Rivières ist nicht nur eine der Sternstunden der Nouvelle ligne claire, sondern des intelligenten französischen Erwachsenencomics überhaupt. In „Der Fall Harding“ versuchen der Titelheld und seine Freundin, die erfolgreiche Kriminalautorin Olivia Sturgess, sich als Amateurdetektive. Sir Christopher Harding, der Verleger Olivias, wird in einem Londoner Taxi ermordert aufgefunden. War die verschleierte Dame in Schwarz, mit der er das Taxi bestiegen hat und die bald darauf verschwunden ist, die Täterin? Im Verlauf ihrer Ermittlungen geraten Francis und Olivia bald auf den Landsitz der Hardings. Hier überstürzen sich die Ereignisse: Ein Dorftrottel macht geheimnisvolle Andeutungen; die Dame in Schwarz spukt als Todesengel durch das alte Gemäuer; und selbstverständlich ist die Familie des Verstorbenen nicht so nobel und heil, wie es auf den ersten Blick scheint. „Der Fall Harding“ ist das schwächste der Francis-Albany-Alben. Nicht, daß es schlecht gezeichnet oder geschrieben wäre – im Gegenteil. Es ist sogar sehr unterhaltsam und spannend. Aber im Gegensatz zu den beiden anderen Alben ist es nur unterhaltsam und spannend. Interessant ist es nur in stofflicher Hinsicht, als der zweifellos gelungene Versuch, einen Comic im Stil der Romane Agatha Christies zu schreiben. „Ein faszinierender Romananfang“ urteilt eine der Queen of Crime verblüffend ähnlich sehende Freundin Olivias, als sie von der Ermordung Sir Christophers hört. Und: „Ist das in Ihren Romanen nicht auch immer so, meine Teure?“, fragt Francis wenig später Olivia, als diese feststellt, der Mörder müsse sich auf dem Landsitz aufhalten. In diesem Ton eines selbstironischen Klassizismus ist der ganze „Fall Harding“ gehalten. Das Album ist eine Stilübung – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Von anderem Format sind die „Begegnung in Seven Oaks“ und „Auf der Suche nach Sir Malcolm“. In ersterem Album tritt Francis Albany nur am Rande auf. Im Mittelpunkt steht vielmehr der Journalist und Schriftsteller George Croft, der in einem Antiquariat eine bestürzende Entdeckung macht. Die Sammlung von Schauergeschichten, die er verfaßt hat, ist nämlich vor über 20 Jahren und Wort für Wort schon einmal von einem gewissen Basil Sedbuk geschrieben worden. Und nicht nur das: Als Croft nach Sedbuk, einem seinerzeit berühmten Meister des Grand Guignol, zu recherchieren beginnt, treten alle unheimlichen und makabren Geschehnisse des Buches nach und nach ein. Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion löst sich zunehmend auf und ist am ebenso virtuosen wie rätselhaften Ende des Albums völlig verschwunden. „Begegnung in Seven Oaks“ zählt zu den raren Comics, die man immer wieder lesen kann, weil man sie nie ausliest. Francois Riviere ist das Kunststück gelungen, ein Album zu schreiben, das zwar in Hergéscher Manier rigoros konstruiert ist, das aber – und hier übertrifft der Schüler sogar seinen Meister – die Imaginationskraft des Lesers nicht einengt, sondern freisetzt. Die Spuren, die der Autor ihm legt, kann und muß jeder selbst deuten. Und nicht nur eine Lösung ist möglich. Am wahrscheinlichsten ist wohl diese: Das Album ist nur eine Fiktion innerhalb einer Fiktion; es ist ein Wunschtraum, eine Wahnvorstellung des sterbenden Basil Sedbuk. So wird die „Begegnung in Seven Oaks“ plötzlich zu einer außerordentlich gescheiten Reflexion über die Nachtseiten der dichterischen Phantasie. Denn der Traum, erfundene Gestalten ins Leben treten zu lassen und umgekehrt mit wirklichen Menschen so umspringen zu können wie mit erfundenen Gestalten, ist wohl keinem Autor fremd. „Auf der Suche nach Sir Malcolm“ greift das in „Begegnung in Seven Oaks“ behandelte Thema auf, variiert es aber zugleich. Nicht zufällig erinnert der Titel des Albums an Marcel Prousts Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Wie Prousts Ich-Erzähler versucht Francis Albany, die Vergangenheit zum Leben zu erwecken, sie erinnernd zur Gegenwart zu machen. Und ebenso wie in der „verlorenen Zeit“ gelingt ihm dies nicht mit Hilfe des exakt forschenden Verstands, sondern nur mit Hilfe der frei schweifenden Assoziation. Die Rolle des Gebäcks, das bei Proust zum Auslöser der mémoire involontaire wird, spielt hier ein altes Fotoalbum. Dessen Betrachtung versetzt Francis zurück in das Jahr 1912, in dem sein Vater gerade zum britischen Botschafter in Washington ernannt worden ist. Zusammen mit seinem Sohn, seiner Frau und der kleinen Olivia macht sich Sir Malcolm auf die Reise in die USA – an Bord der „Titanic“. Als der Luxusliner untergeht, bleibt der Vater zurück, seine Familie wird gerettet. Im träumerischen und träumenden Nachvollzug der damaligen Ereignisse gelingt es Francis, die Spionageaffäre, in die Sir Malcolm auf der „Titanic“ verwickelt wurde, aufzuklären und ihn vom Vorwurf des Hochverrats zu befreien. Aber auch hier erweist sich zumindest ein Teil des Geschehens als Fiktion in der Fiktion. Francis war nämlich, wie schließlich deutlich wird, gar nicht wirklich auf der „Titanic“. Genauer gesagt: Er war noch im Bauch seiner Mutter, die ihn erst kurz nach dem Schiffbruch gebar. Anders als bei Proust zielt die Erinnerungsarbeit also nicht auf Ereignisse, die der sich Erinnernde tatsächlich erlebt hat, sondern die er erlebt haben könnte. Die Erinnerung wird zur Spekulation, zur Dichtung. Der Stellenwert, der ihr eingeräumt wird, ist daher sehr ambivalent. Einerseits läßt sich das Album in der Nachfolge Prousts als Hommage an die visionäre Kraft der assoziativen Erinnerung lesen. Andererseits klingt in ihm eine grundsätzliche Skepsis gegen den Wahrheitsanspruch jeder Erinnerung an. Wer sich erinnert, der erfindet und verfälscht – auch so läßt sich seine Aussage deuten. Die Suche nach dem unerreichbaren Vater – ist sie nicht der geheime und gemeinsame Nenner aller Arbeiten der Nouvelle ligne claire? Auffällig ist allerdings, daß der geistige Vater Floc’hs und Rivières weniger Hergé als Edgar P. Jacobs ist. Nicht nur, daß in „Begegnung in Seven Oaks“ mehrfach „Das gelbe M“ zitiert wird. Die Dramatik der Geschehnisse bei gleichzeitigem Verzicht auf die für Hergé typische humoristische Brechung, die von detailbesessener Anglophilie geprägte Evokation des London der Zeit um 1950 – all dies verweist auf eine tiefe Affinität zum Schöpfer der Blake-und-Mortimer-Serie. Aber darin, daß die Francis-Albany-Trilogie sich in dieser Affinität nicht erschöpft, daß sie wenigstens zu zwei Dritteln mehr ist als modisches Design und ironisch gebrochene Nostalgie – darin liegt ihre Bedeutung. In ihrem Bemühen, den Comic aus den Fesseln der Genres zu befreien, ohne ihn ganz der Reize des Genres zu berauben, gleichen diese in den 70ern und frühen 80ern entstandenen Alben den besten aktuellen Arbeiten Alan Moores, Neil Gaimans und Frank Millers.
Nicht verifizierter Kauf. Mehr Informationen